Einmal Nordschleife und zurück

Von DaniK, Donnerstag, 30. August 2012, 20:48


Mein Erstkontakt mit der Rennstrecke



Schon seit Wochen bereite ich mich auf dieses Wochenende
vor. Ich schaue On-Board-Videos von Fahrten auf der berühmt-berüchtigten
Rennstrecke. Sogar eine Rennsimulation habe ich mir gekauft, um die Kurven
davor virtuell abfahren zu können. Streckenkenntnis zählt schließlich zu den
wichtigsten Dingen, wenn man sich in den Rennbetrieb wagt. Kurve für Kurve wird
auswendig gelernt. 20,832 km sollten wenigstens zu 95% im Kopf sein. Alles andere
könnte tödlich enden. Auslaufzonen sind auf der Nordschleife bekanntlich
Mangelware. Immer und immer wieder schaue ich mir die Videos an. Immer und
immer wieder fahre ich die Strecke in der Simulation ab. Daneben liegt eine
tabellarische Auflistung der Kurvenfolgen: ...Schwedenkreuz links, Aremberg
rechts, Fuchsröhre voll links-rechts-links-rechts-links, Ausgang Fuchsröhre
links, Einfahrt Adenauer Forst rechts, Adenauer Forst links, Ausgang Adenauer
Forst rechts, ...Gedächtnislücke...Spicken auf der Liste...achja... Eingang
Metzgesfeld... Jede Kurve muss gedanklich sitzen. Jeden Tag klappt es ein
bisschen besser und doch bin ich noch nicht zufrieden. Das Wochenende rückt
näher. Wie machen das Menschen wie ein Walter Röhrl, die die Rennstrecke quasi
in Gedanken in Echtzeit abfahren können? Jede Kurvengeschwindigkeit, jeder
Brems- und Einlenkpunkt läuft wie in einem Film im Kopf. In meinem hängt der
Film noch des Öfteren. "Walter Röhrl hat auf dieser Strecke sicher schon einige
tausend Runden absolviert", versuche ich mich zu beruhigen.


Der große Tag rückt näher. Sonntag morgen stehe ich schon
zeitig auf - ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Gegen Mittag soll die
Reise losgehen. Habe ich alles gepackt? Helm, Handschuhe, Schuhe mit dünnen
Sohlen, Trinkflasche ... ja ich glaube ich hab alles. Heiß ist es draußen. Man
verglüht fast. Ein Glück, dass die Klimaanlage in unserem Anreisegefährt
tadellos funktioniert. Für die Anreise sei dieser Luxus gegönnt. Über 500 km
liegen vor uns. Am frühen Abend haben wir es dann fast geschafft. Noch auf dem
Weg zu unserer Übernachtungsmöglichkeit passieren wir eine Parallelstraße zur
Döttinger Höhe. Noch scheint alles ruhig zu sein. Vereinzelt kann man das
Röhren von Motoren hören. Nach der Ankunft wird zuerst einmal fürstlich zu Abend
gegessen, um dann auch zeitig ins Bett zu kommen. Schließlich will ich ja fit
sein am nächsten Tag.


Schon sehr früh klingelt der Wecker. Hell ist es noch nicht,
aber der große Tag ist da! So ganz fit bin ich noch nicht. Die Dusche wird's
richten. Spätestens als ich die Türe nach draußen öffne, spüre ich, dass es ein
ganz besonderer Tag wird. Unsere erste Anlaufstelle ist die Autovermietung.
Einen Suzuki Swift Sport Stage 2 haben wir vorbestellt. 125 PS bei 1025kg - als
Überflieger kann man ihn nicht bezeichnen, aber für den Erstkontakt mit der
Rennstrecke der Rennstrecken wird es allemal reichen. Schnell werden noch die
Formalitäten geregelt. Auch die Einweisung lasse ich mit einer Mischung aus
Interesse und doch einer kleinen Portion Ungeduld über mich ergehen. Der Wagen
wurde vom Mechanikerteam gecheckt. Der Reifendruck ist in Ordnung. Ich steige
ins Auto. Die 4-Punkt-Gurte werden passend eingestellt. Angepasst wird
natürlich auch noch die Sitzposition. Seit langem sitze ich mal wieder am Steuer eines
linksgelenkten Fahrzeugs. Der Zündschlüssel wird gedreht. Der Motor startet. Es
geht los in Richtung Nordschleife. Ich hab es nicht verlernt. Mein erster positiver Eindruck ist das
sehr sensibel reagierende Gaspedal. Brav halte ich mich bis zum Ziel an die
Geschwindigkeitsbegrenzungen. Vor mir taucht das Devil's Diner auf. Direkt
daneben ist die Auffahrt auf die Nordschleife an der Döttinger Höhe zu sehen. Beim
Anblick der vielen Schönheiten fühle ich mich mit meinem Swift fast schon
wieder untermotorisiert. Vom Porsche GT3 über Nissan GT-R, BMW M3, Audi TT RS
bis hin zur Lotus Elise ist alles anzutreffen. Sogar mehrere Imprezas sind am
Start.


Punkt 8 Uhr wird die Strecke freigegeben. Die ersten
Ungeduldigen preschen voraus. Die Klangkulisse ist gigantisch. Ich fühle mich
auf Anhieb wohl. Nach der ersten Welle starten auch wir in Richtung Auffahrt.
Für die ersten Runden lasse ich meinem Kollegen den Vortritt. Ich will die
Strecke nochmals in der physischen Realität durchgehen. Wir setzen die Helme
auf. Ein letzter Check der Sitzposition und der Gurte und wir rollen in Richtung Einfahrt.
Der Einstieg liegt mitten in der Döttinger Höhe. Wir halten uns mit gesetztem
Blinker zunächst weit rechts, um die auf TopSpeed ankommenden Wagen hinter uns
nicht zu behindern. Weiter geht's durch die Antoniusbuche auf den Tiergarten
zu. Tiergarten I links, Tiergarten II rechts, Einfahrt Hohenrain links,
Hohenrain rechts, Ausfahrt Hohenrain links, T13 oder auch Coca-Cola-Kurve
rechts. Und da ist sie: die berühmte Einfahrt Hatzenbach! Ich bin selbst
erstaunt, wie gut mein Streckentraining scheinbar gefruchtet hat. Nach einigen
Anfangsschwierigkeiten souffliere ich dem Fahrer die Kurven. Das ständige Üben zahlt
sich aus! Die ersten drei Runden fährt mein Kollege. Eine perfekte Gelegenheit,
nochmals jede Kurve zu wiederholen. Schließlich erreichen wir nun zum dritten
Mal den Galgenkopf, der auf die Döttinger Höhe mündet. Bis zur Ausfahrt am
Devil's Diner lassen wir dem gequälten Motor, den Bremsen und den Reifen einige
hundert Meter Verschnaufpause. Wieder auf dem Startplatz angekommen fühle ich
mich so gut, wie schon lange nicht mehr. Ich kann es kaum erwarten, nun endlich auch
hinter dem Steuer Platz zu nehmen. Wiederum geht's zur Einfahrt an der Döttinger
Höhe. Die kurze Enttäuschung über den im Vergleich zum Subaru doch etwas
mangelnden Durchzug verfliegt recht schnell. Und doch fühle ich mich wie ein
blutiger Anfänger. Selbst hinterm Steuer zu sitzen ist eine völlig andere Welt
als der Platz auf dem Beifahrersitz. Hatzenbach I links: vermurkst, Hatzenbach
I rechts: vermurkst. Das gesamte Hatzenbachgeschlängel: eher schlecht als
recht. Hocheichen: Katastrophe. Wie kann man nur so ein Chaos zusammenfahren?
Doch langsam kommt das Gefühl für das Auto und die Strecke. Die
Streckenkenntnis in der Theorie ist von enormem Nutzen. Quiddelbacher Höhe und
Flugplatz: voll. Mit einer noch ordentlichen Portion Respekt übers
Schwedenkreuz und ebenfalls viel zu langsam durch die Aremberg - von der
Fuchsröhre ganz zu schweigen. Aber immer mehr beginne ich mich sicherer und
wohler zu fühlen. Spätestens nach fast einer Runde aus dem Galgenkopf heraus,
die Döttinger Höhe hinunter hat mich der Mut gepackt. Die zweite Runde läuft
deutlich besser. Ich vertraue auf meine virtuelle Streckenkenntnis und wage die
Probe aufs Exempel: Aremberg rechts, Fuchsröhre: v o l l . Ich spüre die Kompression. Bremse
die Einfahrt zum Adenauerforst hart an. Ein ganz schön nervöses Heck hat der
Swift. Das gefällt mir gar nicht, aber gut, dass ichs jetzt weiß. Den Adenauer
Forst weit rechts anfahren, im Wendepunkt der links-rechts-Kombination weit links
halten und die Ausfahrt mit größtmöglichem Radius verlassen. Ich könnte platzen
vor Freude! Mit jeder Runde wird die Experimentierfreude größer. Wie groß mein
fahrerisches Talent ist, sei dahingestellt. Spaß macht das Leben hinter dem
Steuer jedenfalls ungemein!



Foto: unser kleiner schwarz-roter Teufel in Aktion ----- Quelle: Ring-Bilder.de


Nach einigen weiteren Runden dann der Schock. Wir sind in
Richtung Ausfahrt Brünnchen unterwegs. Mein Kollege sitzt am Steuer. Ich sage
die Kurven an. Im Rückspiegel taucht ein schnellerer Porsche 911 Carrera S auf.
Wir halten uns mit gesetztem Blinker weit links. Noch weiter geht nicht. Auf
den kurvenäußeren Curbs zu fahren ist in der Kurve schließlich nicht unbedingt die
beste Idee. Unsere Geschwindigkeit bewegt sich natürlich nun in sicherer
Entfernung vom Grenzbereich. Mit Ideallinie hat die aktuelle Situation
schließlich nicht viel zu tun. Schon mit sehr knappem Abstand versucht der
Porsche in der Kurve an uns vorbeizuziehen. Fast hat er uns passiert. Plötzlich
ein Schlag gegen unsere vordere rechte Seite. Aus welchem Grund auch immer
setzt sich das Heck des Porsches wie ein Platzhirsch gegen unseren Wagen. Wir
sind uns einig: Wir haben sauber die Spur gehalten. Kollegiales Verhalten ist
schließlich ehrenhafte Pflicht. Links gesetzter Blinker bedeutet, dass man auch
links bleibt. Das haben wir getan. Ein Glück, dass es bei dem Schlag gegen
unsere Front bleibt und uns ein Dreher oder gar ein Abflug in Richtung
Leitplanken erspart bleibt. Besorgt achten wir auf anormale Geräusche am Wagen.
Wir können nichts feststellen. Trotzdem fahren wir bei der nächsten Gelegenheit
zurück auf den Parkplatz. Unser Kotflügel hat Dellen, die Türe hat Schrammen,
auch die Felge blieb nicht verschont. Der Blinker baumelt am Kabel. Der
Porschefahrer, der es uns gleichtat und ebenfalls auf den Parkplatz einbog, ist
sich keiner Schuld bewusst. Dreisterweise will er sogar uns noch Fehlverhalten
unterstellen. Wir konsultieren die Boxengasse an der T13, an der auch zwei
Mitarbeiter des Autovermieters vor Ort sind, um uns Rat einzuholen, was nun zu
tun wäre. Uns wird geraten, zusammen mit dem Porschefahrer nach Eventende zur
Autovermietung zu kommen, um den Sachverhalt zu klären. Bis dahin können wir,
nach kurzer Durchsicht durch das Personal und keinen das Fahren
beeinträchtigenden Schäden am Wagen, weiterfahren. Trotz zunächst nicht
unerheblicher Aufgewühltheit setzen wir unsere Fahrt fort, in der Hoffnung, den
Porschefahrer später nochmals zu erreichen. Glücklicherweise taucht er auch
wieder auf. Eindrucksvoll beweist er, dass er seinen Wagen scheinbar noch nicht
besonders lange sein Eigen nennt. Beim Versuch einzuparken demoliert er sich um
ein Haar seine komplette Frontschürze. Gerade noch kann ich ihn davon abhalten.
Geschätzte zehn Zentimeter später hätte die Schürze ein Rendevouz mit der
Bordsteinkante gehabt. Keine zwei Minuten später muss dann beim wiederholten Korrigieren
der Parkposition noch beinahe die Felge dran glauben. Jammerschade um den
schönen Wagen, sollten ihm solche Aktionen in Zukunft noch öfter bevorstehen.


Wir wagen uns zu den letzten Runden auf die Strecke. Nochmals
für ein paar Runden können wir den Vorfall verdrängen und uns zurückversetzen
in die Welt der grünen Hölle, wie die Nordschleife auch oft genannt wird. Ein
letztes Mal lasse ich den Motor auf dem Teilabschnitt der Döttinger Höhe
verschnaufen, um zurück auf den Parkplatz zu rollen. Die Tankanzeige steht auf
Reserve. Zurück zur Autovermietung wird's noch reichen. Ein würdiger Abschluss
eines tollen Tages, der mir und meinen Kollegen sicherlich trotz des Zwischenfalls
noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Kommentare 2

  • Wirklich sehr gut geschrieben bzw beschrieben. Allerdings muss ich sagen defenitiv das falsche Auto für die Strecke da ist so ein Aufeinandertreffen fasst vorprogrammiert. Spreche aus eigener Erfahrung aber mit einem Auto mit weniger als 300Ps und extrem guten Bremsen sollte man lieber auf dem Parkplatz bleiben. Ich meine jeder fängt mal klein an aber mit einem Kleinwagen ( egal ob 125 Ps ) hat man auf einer solchen Strecke nichts zu suchen. Dann sollte man eher Ringtaxi buchen. Ich habe so oft schon selbst bremslige Situationen erlebt meist mit Leuten die hoffnungslos überfordert waren mit ihrem Auto und der Strecke bzw Motorradfahrer die einfach nur Lebensmüde waren. Sich vorher Streckenkenntnisse via Playstation zu holen ist wirklich ratsam aber live wirken Kräfte auf einen die alles in den Schatten stelle. Ich möchte dich wirklich nicht persönlich angreifen aber man sollte sich auch mal in die anderen Leute versetzten die wirklich Sportwagen bzw Rennautos fahren und die Strecke nutzen um wirklich schnell zu fahren für die sind solchen Kleinwagen /Busse / Vans / Wohnmobile eine echte Gefahr bzw Hinderniss.

  • Super Bericht, mehr davon! ;)