Bremsbelag

  • Die Aufgabe, die Funktion und der Aufbau eines Bremsbelages

    1. Aufgabe


    Die Hauptaufgabe der Bremsen ist die sichere und komfortable Verzögerung von Fahrzeugen, gegebenenfalls bis zum Stillstand. Dies geschieht mittels Reibung zwischen den Reibpartnern Bremsbelag und Bremsscheibe bzw. trommel. Während des Bremsvorgangs wird die Bewegungsenergie des Fahrzeuges durch Reibung zwischen den Partnern in Wärmeenergie umgewandelt und so die gewünschte Geschwindigkeitsverringerung erzielt.


    2. Funktion


    Bremsbeläge, auch Reibbeläge genannt, sind Funktionsteile einer Bremse und gehen mit ihrem Reibwert Âľ in die Bremsleistungsberechnung ein. Durch Reibung verrichtete Arbeit wird während des Bremsprozesses in Wärme umgewandelt. Hierbei werden Atome oder Moleküle im Reibbelag aus ihrer Lage (z.B. im Kristallgitter) gelöst, was zu einer Deformation und zum Entstehen von Verschleißteilchen führt. Angestrebt werden bei Reibbelägen möglichst hohe Reibwerte, bei möglichst niedrigem Verschleiß. Schmierung spielt in diesem Fall eine erhebliche Rolle. Weniger zur generellen Reibwertminderung, als zu einer Lebensdauererhöhung durch Senkung von Eigenverschleiß und Gegenmaterialangriff. Damit der Reibbelag unter diesen wechselnden Betriebszuständen bestmögliche Bremsergebnisse erzielt, ist ein komplexer Kompositwerkstoff erforderlich, der unter allen Umständen nicht versagen darf.


    3. Sicherheitsrelvante Aspekte


    Gleichbleibender Reibungskoeffizient, Mechanische Belastbarkeit, Temperaturbeständigkiet



    Neue Bremsbeläge erreichen ihre volle Bremsleistung erst nach einer bestimmten Einfahrzeit. Während dieser Phase gleicht sich die Belagoberfläche an die Scheiben-/Trommeloberfläche an. Erst danach wird die optimale Reibpaarungsverbindung (Bremsbelag/Scheibe, Bremsbelag/Trommel) geschaffen und somit beim Bremsen die maximale Verzögerung erreicht.



    Reibmaterialanforderungen können in drei Kategorien eingeteilt werden:


    • Physikalische/chemische Eigenschaften
    • Reibtechnisches Verhalten
    • Komfort


    Als Beispiele für physikalische/chemische Eigenschaften lassen sich somit unter anderem Kompressibilität (kalt/heiß), Scherwerte, Festigkeiten, Dämpfung, Dichte, Porosität, Wärmeleitfähigkeit und Korrosionsverhalten hervorheben.


    Zu reibtechnischen Eigenschaften zählen Reibwerte in Abhängigkeit von Temperatur, Druck, Geschwindigkeit und Fading (Reibwertverlust bei Folgebremsungen durch hohe Temperaturen). Ergänzend kommen neben Prüfstandversuchen - AMS-Tests (Auto-Motor-Sport-Test zur Ermittlung kurzer Bremswege), Verschleißprogramme, Dauerlaufsimulationen als Funktion von spezifischen Lastkollektiven, DTV-Bildung (Disc Thickness Variation) und -Regeneration, Nass-/ Kaltreibwert sowie eine Vielzahl von Spezialprogrammen zur Anwendung.


    Reibtechnische Prüfungen und Komfortuntersuchungen finden sowohl an Schwungmassenprüfständen unter konstantem Witterungseinfluss, als auch auf speziellen Teststrecken im Fahrzeug statt. In Komfortuntersuchungen werden unter verschiedenen Betriebsbedingungen Geräusche wie Quietschen oder Knarzen (Geräusch bei Automatikfahrzeugen beim langsamen Loslassen der Bremse) genauer analysiert. Zum Komfortverhalten zählen ebenfalls - für Fahrer fühlbare - mechanische Auswirkungen, wie z. B. Lenkraddrehschwingungen, Pedalgefühl und Rubbeln. Letzteres ist ein Sammelbegriff für tieffrequente, überwiegend fremderregte Vibrationen zwischen Belag und Scheibe, welche sich in Geräuschen oder bemerkbaren Schwingungen äußern. Während in den 70er-Jahren Bremsenquietschen im Straßenverkehr die Regel war, wuchsen mit jeder neuen Fahrzeuggeneration die Anforderungen an Komfort und Reibtechnik. Gründe liegen unter anderem in massiveren und schwereren Fahrzeugen, als auch in gesteigerter Motorleistung und Geschwindigkeit.


    4. Reibmaterialien


    Der Semimetallic (Semimet) erlebt in Märkten mit Geschwindigkeitsbegrenzung (z.B. USA) aktuell eine Wiederbelebung, während er in Europa praktisch nicht mehr zum Einsatz kommt. Grund hierfür ist Anwendung mit moderater Fahrzeugmasse bei geringer Geschwindigkeit dabei ist das Verschleißverhalten des Semimets oftmals unerreicht. Ein weiterer Vorteil von Semimets liegt in ihrer geringen DTV-Erzeugung. Auch im ungebremsten Zustand kommt es aufgrund fehlender Planparallelität zum Reibbelag zu einem permanenten Touchieren von Belag und Scheibe. Semimets waschen die Scheibe unter den für sie günstigen Betriebsbedingungen nicht aus und bieten in Märkten, in denen lange Strecken ohne gebremste Anteile zurückgelegt werden, erhebliche Vorteile.


    Parallel zur Semimet-Entwicklung in Europa, hat in Japan die Entwicklung der NAO-Beläge den Ausstieg aus der Asbestära vorangetrieben.
    NAO steht für Non Asbestos Organics und meint nach japanischer Reibbelagphilosophie ein organisch gebundenes Material, das keine Stahlwolle enthält. Stahlwolle gilt bei führenden Automobilherstellern in Japan ursächlich als Verursacher der DTV. Dies steht im Widerspruch zu den Erfahrungen mit Semimets und Materialien nach europäischer Auffassung. Aufgrund des weitestgehenden Verzichts auf abrasive (abschabende) Bestandteile sind diese Materialien nicht in der Lage, einmal aufgetretene DTV zu regenerieren.
    Echte NAO zeichnen sich durch ein sehr gutes Komfortverhalten bei niedrigem Reibwert und gutem Verschleißverhalten aus. Für High Performance Anwendungen europäischer Automobilhersteller, also Fahrzeuge mit hohem Gewicht, hoher Motorleistung und Anwendungsgebiete ohne Geschwindigkeitsbegrenzung sind diese Materialien jedoch weitestgehend ungeeignet.
    Im europäischen Markt etablierte Materialien werden zur Abgrenzung von genannten Produktfamilien als Corrective Liners bezeichnet. Solche Materialkonzepte können in ungebremstem Zustand DTV aufbauen und in gebremstem Zustand in die Scheibe eingegrabene DTV regenerieren. Dies wird durch eine höhere Gewichtung spezieller Abrasivstoffe erreicht. Der Nachteil liegt im höheren Scheibenangriff (Verschleiß und der damit einhergehenden Bremsstaubbildung). Da der Eisenmetallgehalt gegenüber den Semimets reduziert wurde, werden diese Materialien oftmals auch als Low Steel oder Low Met bezeichnet.


    Keramische Belagreibmittel sogenannte Ceramics bestehen überwiegend aus keramischen Fasern, Füllstoffen, Bindemitteln und weisen oftmals geringe Metallanteile auf. Typische Charakteristika liegen in heller Belagmasse, Geräuschvermeidung, geringer Verschleiß und dadurch längere Lebensdauer, niedrige Bremsstaubemission, sowie ein höheres Preisniveau. Bremsbeläge dieses Typs erzeugen beim Bremsen einen so genannten Transferfilm auf der Bremsscheibe. Dieser schützt die Bremsscheibe vor übermäßigem Abrieb. Das Ergebnis ist weniger Bremsstaub, mehr Komfort und weniger Verschleiß.
    Haupteinsatzmärkte dieser Reibmaterialfamilie waren bisher Nordamerika und Japan, finden inzwischen jedoch auch vermehrt in Europa Verwendung. Hinzu kommt, dass Sport- und Luxuswagen mit Bremsbelägen aus Kohlenstofffaser verstärktem Siliciumcarbid oder auch Spuren von Ton in Verbindung mit sog. Keramik-Verbundbremsscheiben ausgestattet sein können.


    5. Fertigungsverfahren


    Die Belagmasse eines Bremsbelages wird während des Herstellungsverfahrens aus unterschiedlichen Bestandteilen, wie Bindeharz, Fasern, Metalle, Gleitmittel und Füllstoffe gemischt.
    Spricht man von organisch gebundenen Belägen finden zusätzlich Bindemittel wie Harze - im Produktionsprozess Anwendung.
    Unter Funktionsstoffe fallen unter anderem Abrasivstoffe. Diese versteht man als reibwertbestimmende Werkstoffe mit hoher Härte. Die Abriebwirkung wird unter anderem von der Kornform und Teilchengröße bestimmt und verhält sich proportional zur Lebensdauer der Reibkomponenten.
    Schmiermittel sollen diesem Werkstoffabrieb entgegenwirken. Es werden Graphite und Metallsulfide eingesetzt. Je nach Auswahl der Schmierstoffe kommen reibwertstabilisierende Effekte im Fading hinzu.
    Die Gruppe der Metalle schließt vor allem Eisen und Kupfer - inklusive der Legierungen Bronze und Messing - ein. Es kommen aber auch Aluminium, Zink und Zinn zur Anwendung. Liegen Metalle als Faser vor, erhöht sich die mechanische Festigkeit, andererseits wird thermische Leitfähigkeit und damit der Wärmedurchgang justiert. Buntmetalle schließlich beeinflussen die Reibtechnik, das Verschleißverhalten und nehmen Einfluss auf das Komfortverhalten.
    Da sich die Reibfläche im Bremseneinsatz stark erwärmt, können die Bindemittel aufgrund der Reibung zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe, durch plötzlich auftretende Erhitzung, an der Belagoberfläche ausgasen. Diese Ausgasungen bilden ein Luftpolster zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe, was zu Verringerung des Reibwertes und somit zu Verlängerung des Bremsweges führen kann - das sogenannte Fading. Das Scorchen wirkt dieser ungewollten Ausgasung entgegen. Dabei wird die Reiboberfläche eine vorgegebene Zeit hohen Temperaturen ausgesetzt. Organische Bestandteile der oberen Reibbelagschicht werden thermisch zersetzt und somit der Reibwertabfall minimiert. Unter dem Begriff Scorchen versteht man somit das künstliche Einfahren eines Bremsbelags bereits im Herstellungsprozess.

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